Es ist ganz gleich, um welche Ecke man in Oldenburg biegt, der Grünkohl ist schon da 😉
Praline, Gin, Pesto, Bier, Tee, Chutney, Balsamico – gemeinsam mit Roter Bete und Rüben ist der Grünkohl auch in Deutschland aus der Schmuddelecke in Richtung Feinkost entkommen. Nicht nur beim Boßeln und Essen kann man ihn nun treffen: Ihm zu Ehren werden Majestäten gekürt, er ziert Socken, verfeinert eine Pflegelinie und in „seiner Hauptstadt“ Oldenburg gibt es ein eigenes Fanmagazin.
Ich mag die Kreativität (und Ortsverbundenheit), mit der weltweit lokale Anbieter ein Stückchen Heimat in ihre Ginflaschen bannen. In Oldenburg gibt es derzeit mindestens zweimal Grünkohl als Botanical – in „Alte Burg“ und „Grünkohl Gin“.
Zweimal ganz anders – Grünkohl + Gin
Der Laden der „BUDDEL JUNGS*“ könnte auch in Berlin oder Hamburg sein. Die Getränkevielfalt ist stetig gewachsen, immer wenn was verkauft wurde, wurde nachgeordert. Immer wenn es was Neues gab, musste es her, wurde probiert und wer überzeugte, durfte in die große Gemeinschaft einziehen.
Es gibt Brände, Whiskys, Gins und Liköre meist kleiner Manufakturen von der Nordsee bis ins Schwabenländle. Wer hier den Überblick behält – Respekt!
Was man sofort merkt, ist die Begeisterung, mit der der Laden geführt wird. Es geht um Genuss und Gemütlichkeit. Und um Leben und Leben lassen. Sehr angenehm.
Hier treffen wir auf „Alte Burg*“, den London Dry Gin, der laut Fabian und Pascal „so schmeckt wie Oldenburg“. Mit „Orangen, Heidelbeeren und einem Hauch Grünkohl.“ Na ja, wahrscheinlich schmeckt es wie Oldenburg mit … Tonic. Wenn ich mich recht erinnere, war es „Thomas Henry gelb“.
Und so wie man in Nigeria weiß, dass es ein Dorf braucht, um ein Kind zu erziehen, wissen die Oldenburger, dass es eine Stadt braucht, um einen Gin anzubieten. Bislang ist er in rund 14 unterschiedlichen Location zu haben.
Nach eigenen Angaben derzeit bei
„Violas, Oldenburger Tourismuszentrum am Lappan, Jugendherberge, Famila Wechloycenter. Trinken kann man ihn beispielsweise bei der Buddel Bar, Ule, Karins Krone, Glut & Wasser, Patio, Between the Sheets, Kaiserküche.“
Allein die Präsentation verrät die unterschiedlichen Verkostungsansätze der Buddel Jungs und Bastwöste.
- Uns erwartet in einer kühlen Halle bei Bastwöste&Co* ein frischer Grünkohl Spritz:
- 20 ml Grünkohl Gin
- 40 ml Secco
- 40 ml Tonic Water
- Eiswürfel
- Zitrone und Grünkohl zur Zierde
Der zweite Gin mit Grünkohl, auf den wir treffen, heißt auch genauso „Grünkohl Gin“.
Es ist ebenfalls ein klassischer Dry Gin. Neben Wacholder, Orangen- und Zitronenzesten bestimmen sieben ausgewählte Kräuter (Rosmarin, Salbei, Basilikum, Koriandersamen, Kubebenpfeffer, Angelika- und Veilchenwurzel) sowie Grünkohl den Geschmack. Die Farbe kommt übrigens nicht vom Grünkohl – soviel ist nicht drin – sondern von Chlorella. Also kein künstlicher Farbstoff, aber ein wirklich cooles Grün.
An den Hofladen schließen die Produktionshallen an, schließlich wollen die „Wochenmärkte in Bremen, Oldenburg und um zu“ mit allerlei Feinkost (auch rund um Grünkohl) versorgt werden.
Grünkohl Chutney, Grünkohl Pesto und Grünkohl Balsamico
Wer Chutney nur in süßer Form und als Resteverwertung kennt, wird über dieses Chutney erstmal staunen. Es ist würzig und säuerliche. Drin sind Grünkohl, Zwiebeln, Oliven- und Rapsöl. Zucker, Salz, Senfmehl, Balsamico (welcher wurde nicht verraten), Agatine/Agartine (Agar Agar – eine algenbasierte, pflanzliche Alternative zu Gelatine) und Chili. Das Chutney passt natürlich zu Käse, aber auch auf Crackern oder Chips kann es was 😉
Der Vorteil des Chutneys – es ist sehr gut haltbar. Anders als das Pesto.
Das Pesto wird klassisch mit Öl, Knoblauch und Käse hergestellt. Hier kommen Grünkohl, Oliven- und Rapsöl, getrockneten Tomaten, Parmesan, Cashewkernen, Zitronensaft, Knoblauch, Salz, Rohzucker und Pfeffer zum Einsatz. Laut Bastwöste ist es rund einen Monat haltbar. Bei uns läuft natürlich mal wieder ein Langzeittest und ich kann sagen – nach 5 Monaten ist mein gekauftes Pesto immer noch super.
Was mich übrigens durchaus inspiriert, sind die Rezeptideen* (nicht nur zu Grünkohl) auf der Homepage.
Mit Balsamico verbindet mich seit meiner aktiven Slow Food Zeit eine innige Liebe, die hier gleich wieder geweckt wurde. Selbst wenn er dem hohen Anspruch meiner Freundin Andrea nicht genügt „in Balsamico darf nur eine einzige Zutat sein – Trauben!“.
Das geht natürlich nicht, wenn man mit Grünkohl arbeiten möchte. Da geht halt manches Reinheitsgebot flöten. Und so verzeihe ich großzügig, dass die Trauben eingedickt und mit Essig versetzt sind. Denn der Balsamico schmeckt wirklich hervorragend, weil neben der Süße und Säure hier auch noch eine würzig, leicht bittere Note Einzug gehalten hat. Er eignet sich also wahrscheinlich gut im Zusammenspiel mit Rote Bete, Ziegenkäse und Rucola. Ich werde es testen und berichten.
Grüner Anton – das Bier mit Kohl
Seit 2016 gibt es auch Bier, das mit Grünkohl aromatisiert wird. Grundlage ist OIs Pilsener, vom umtriebigen Braumeister Josef Herzog ersonnen. Wobei: ein Bier ist es nach deutschem Reinheitsgebot natürlich gar nicht, sondern ein alkoholisches Getränk. Das tut dem Genuss aber keinen Abbruch. Zumal der Grüne Anton nur einmal jährlich zum Auftakt der Grünkohlsaison gebraut wird.
Zu Beginn waren es 450 Liter, 2023 dann schon 1.000. Kurz nach dem Brauen ist der Grüne Anton auch noch so – also grün. Doch die Farbe verliert sich um Laufe der Lagerung ins Gelbliche. Als wir es verkosten, unterscheidet es sich farblich nicht von einem normalen Bier. Schmeckt gut, frisch und craftig.
Wunderbare Entwürfe zum Flaschenlabel sind auf Ols Homepage* dokumentiert. Denn wenn schon ein neues Bier alkoholisches Getränk, dann doch bitte mit Geschichte und Gesicht. Um Graf Anton Günther, den letzten offiziellen Sprössling des Hauses zu Oldenburg und Delmenhorst, ranken sich hier Legenden.
Sein größter Verdienst ist sicher die Aufrechterhaltung der Neutralität im 30-jährigen-Krieg. Seine Motive dazu dürften auch eigene gewesen sein – aber die Oldenburger haben dadurch eine düstere Zeit besser als viele Nachbarn überstanden. Die Diskussion 2011/2012, ob, wo und wie ihm ein (weiteres) Denkmal gesetzt werden soll, zeigt, dass auch er „nur“ ein Mensch war. Und sich nicht nur mit dem Oldenburger Schloss im Gedächtnis der Nachwelt verankert hat.
Wer, wie ich neugierig ist – hier findet ihr mehr zum Grafen und erfahrt auch, wo das umstrittene Reiterdenkmal schließlich gelandet ist …
Und was ist mit Tee?
Mein Mann (ein echter Ostfriese), liebt Tee. Also höre ich natürlich auch beim Oldenburger Grünkohl Tee genau zu: 2-3 min soll der Tee bei 80 Grad ziehen. Etwa 10 g Tee auf 1 Liter Wasser.
Hellhörig werde ich, als Hendrik Nölker* erzählt, dass es sich beim Kohl um „Westländer Winter“ handelt. Einem halbhohen Grünkohl aus den Niederlanden. Bei Gemüsesorten bin ich ja hellwach (ist aber leider keine der alten Sorten). Der Grünkohl wird getrocknete und gemahlen und dann mit grünem Sencha aus China gemischt. Schmeckt übrigens nach meinem Dafürhalten nicht kohl-ig, aber auch nicht zu tee-ig. So mag selbst ich Tee.
Grünkohl Praline
Natürlich sind auch Chocolatiers herausgefordert, wenn alle sich an Grünkohlvariationen versuchen. Die Hofkonditorei Klinge*, die inzwischen nur noch in mobiler Form oder online erreichbar ist, hat sich der Herausforderung gestellt. Bedauerlicherweise ist das schöne Café am Theaterwall seit 2019 geschlossen. Doch Schokolade und Pralinen sind ja ein verlässlicher Trost.
Die Praline hat eine grüne, würzig-süße Füllung aus italienischem „Palmizio“ Grünkohl und weißer Schokolade. Ein Schuss Weizenkorn sorgt für Haltbarkeit. Die Hülle besteht aus dunkler Schokolade mit einigen roten Kügelchen (wahrscheinlich roter Pfeffer).
Und „Palmizio“ ist mir natürlich durchaus noch ein paar Worte wert: dieser italienische Palmkohl oder Schwarzkohl ist eine Art entfernter Cousin des Grünkohls. Der bekannteste Vertreter ist bei uns „Nero di Toscana“. Seine Blätter sind glatter und rötlicher und etwas feiner, als die klassischen norddeutschen Grünkohlsorten. Deswegen sind sie für Salate geeignet und sollten nicht klassisch in Wasser gekocht, sondern wenn warm, dann in Olivenöl angebraten werden.
Mit freundlicher Unterstützung von TourismusMarketing Niedersachsen GmbH*, die mich zu einer kulinarischen Pressereise nach Niedersachsen eingeladen hat.
Mein besonderer Dank geht an Renate Rebmann und Pia Spitzenberg. Renate gelingt es immer wieder tolle Menschen und Themen zu finden und meine Begeisterung für Niedersachsen weiter zu steigern. Danke.
Ich danke allen Produzenten, bei denen wir nicht nur Grünkohl Spezialitäten kosten, sondern auch unendlich viele Fragen stellen konnten. Und ebenso viele Antworten erhielten.
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Dieser Artikel enthält Links zu Produzenten und persönliche Empfehlungen von mir. Ich werde dafür nicht bezahlt und niemand nimmt Einfluss auf meine Texte und Tipps. Doch zur höchstmöglichen Transparenz lege ich diese Verbindung hiermit offen.
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