Der Wunsch nach einem – nein – DEM perfekten weichen Ei, hat Loriot in „Das Ei ist hart“ hervorragend parodiert und auf den Punkt gebracht. Mit den angestrebten genau viereinhalb Minuten, also „gefühlten viereinhalb Minuten“, wäre Berta aber weder beim Onsen-Ei noch bei einem Egg Coddler hingekommen. Das eine benötigt 45 bis 60 Minuten, das andere rund 10.
Allerdings zeigt diese Zeitspanne, dass hier durchaus ein wenig „weiblich gefühlte Zeit“ genutzt werden darf 😉
Onsen Ei
Es ist die japanische Küche, die mit Geduld, Raffinesse und Zeit (und viel Ästhetik) einem Hühnerei mehr Genuss entlocken will. Klappt ja schließlich auch bei Tee …
Das „Onsen-Tamago“ wird nicht durch kochendes Wasser von außen nach innen gegart, sondern bei gleichbleibender Temperatur zwischen 60 und 70 Grad ganz langsam und gleichmäßig aufgeheizt. Dadurch stockt das Ei Innere nicht, sondern bleibt cremig weich.
Traditionell geschieht dies in einer der zahlreichen heißen Quelle in Japan, die dort auch der Erholung dienen. Ob die Menschen in den gleichen Bereichen wie die Eier (die als kleiner Snack betrachtet werden und wahrscheinlich erschwinglicher als hier sind) baden, weiß ich nicht. Die Fotos im Netz zeigen die beiden Warmwassernutzungen jedenfalls immer separat 🙂
Die Eier werden in Körben bis zu einer Stunde in das warme Wasser gehängt und erhalten dadurch ihre Cremigkeit und den Namen „Onsen/heiße Quelle“.
Nach 45 bis 60 Minuten werden sie mit einem scharfen Messer aufgeschlagen und vorsichtig in ein Schälchen oder einen Teller gelegt. Eiweiß und Eigelb haben dann in etwa die gleiche wachsweiche Konsistenz. Nach 45 Minuten ist beides noch flüssiger als nach 60. Klingt logisch.
Ich habe bisher nur ein einziges Onsen Ei gegessen und war ziemlich begeistert. Es war der zweite Gang eines hervorragenden Menüs im *Restaurant Novalis im Burghotel Hardenberg im Rahmen einer *Pressereise in Niedersachsen. Das Restaurant hat es aber nicht immer auf der Karte – also ruft vorher dort an.
Das Onsen Ei war umgeben von Kartoffelschaum und Blattspinat. On top lagerte nach meiner Einschätzung Kartoffelstroh. Also falls ihr die Gelegenheit habt, eines zu kosten – es lohnt sich!
Selbst wenn der Preis sich inzwischen bei bis zu 35 Euro eingependelt hat 😉
Alternative: Selbermachen
Der grundsätzliche Trick ist die gleichbleibende Temperatur um 65 Grad. Da kann man entweder sportlich mit Herdplatte und Thermometer eine Stunde seines Lebens am Herd verbringen und aufpassen (ist sicherlich eine gute Achtsamkeitsübung) oder sich von einem der Niedriggarkochutensilien helfen lassen. Ein Dampfgarer oder Sous-Vide-Gerät hält die Temperatur schließlich ganz allein. Auch für den Thermomix sind mir im WWW schon Rezepte über den Weg gelaufen.
Die Welt (vor allem die im Internet) scheint ohne Onsen Ei eine traurigere zu sein. Doch es gibt auch Alternativen.
Verlorene Eier
Das Ei zu pochieren könnte die französische Antwort des 19. Jahrhunderts auf das Onsen Ei sein und ist hierzulande schon deutlich bekannter und verbreiteter als die japanische Version. So hat tatsächlich Deutschlands erster Fernsehkoch Clemens Wilmenrod 1951 seine Zuschauer mit der Idee der „Verlorenen Eier auf Toast“ mit einem Salat und den von ihm persönlich erfundenen „gefüllten Erdbeeren“ erfreut.
Allerdings wird beim Verlorenen Ei das Eiweiß deutlich fester und im siedenden Essigwasser mit etwas Salz wahlweise zügig um den Dotter gewickelt oder bei Wilmenrod nach dem Garen einfach abgeschnitten. Clemens Wilmenrod zeigt übrigens in diesem Gericht seine weibliche Seite: er arbeitet wie Berta gänzlich ohne Uhr und setzt allein auf sein Zeitgefühl.
Der Name „Verlorenes Ei“ ist angelehnt an die sogenannten Windeier – das sind Eier ohne Schale, die nur durch die Eierhaut zusammen gehalten werden. Diese Eier hat wahrscheinlich jeder Hühnerhalter schon mal im Stall oder Legenest gefunden. Sie zeigen das den Hennen Kalk fehlt. Keine Angst – nicht schlimm. Jeder Hühnerhalter stellt daher zerbröselte Eierschalen (nur der eigenen Eier, um sich keine Salmonellen einzufangen) im Futter bereit.
Egg Coddler
Auch in England hat die Suche nach dem perfekten Ei wunderbare Blüten getrieben. Meine Mutter war ein großer Fan der *Royal Worcester Egg Coddler, selbst wenn wir sie selten auf dem Frühstückstisch fanden. Aber von ihr stammt meine vorzeigbare Sammlung unterschiedlich großer Porzellangefäße zur stilvollen Eierbereitung.
Anders als beim Onsen Ei, setzen die Briten auf Gewürze und weitere Zutaten beim perfekten Frühstücksgenuss. Wobei die Standdartgröße der Egg Coddler nur Platz für ein Ei mit ein wenig mehr an Würze und frischem Grün bietet. Erst die Erweiterung des Sortiments auf L und XL hat da Platz für mehrere Eier geschaffen. Im Prinzip – durch das Kochen wächst die Masse des Eis und ich nutze L Gefäße halt doch auch immer nur ein Ei.
Natürlich kann man zur Zubereitung auch ein anderes Gefäß wie z.B. ein kleines Weckglas mit Deckel nehmen. Da die Eier in ihren Behältern bis zum Rand im simmernden Wasser untertauchen, sollten sie fest verschlossen sein.
Und bitte dreht den Deckel NIEMALS am Ring auf – der bricht ab. Er dient nur zur besseren Entnahme des Gefässes aus dem heißen Wasser.
Royal Worcester
Ende des 19. Jahrhunderts, genauer zu datieren ist es wohl nicht, kamen die ersten Gefäße zur Eierzubereitung auf den englischen Markt. Als es der Firma Royal Worcester 1931 gelang, ein feuerfestes Hartporzellan zu entwickeln, trafen sie damit genau den Nerv der britischen Frühstücksfreunde und wurden Marktführer in diesem Segment.
Leider hat die Firma nach 250 Jahren gegen die Konkurrenz und Billighersteller aufgegeben. Aber es gibt die wunderbaren Porzellangefäße erstens auch noch von anderen Herstellern (mit ganz anderem oder ähnlichem Design) oder auch als Sammlerstücke im Netz und auf Flohmärkten.
Und es gibt ein Museum – virtuell und live in Worcester
Severn Street
Worcester, WR1 2ND 😉
Mein Fazit zum perfekten Ei
Also das Onsen Ei ist schon wirklich toll und ihr solltet es wirklich testen. Doch ich gestehe: ich liebe die Vielfalt und mag, je nach Gelegenheit alle aufgeführten Varianten.
Und natürlich sind die Egg Coddler ein echter Hingucker, zumal die Eier in den dicken Porzellangefäßen auch ein Weilchen warm bleiben.
Loriots Lösung ist übrigens ganz einfach: „ich hätte halt gern ein weiches Ei und nicht ein zufällig weiches Ei. Es ist mir egal wie lange es kocht.“
Dem kann ich mich nur anschließen.
*Werbung
Dieser Artikel enthält Links zu Produzenten und persönliche Empfehlungen von mir. Ich werde dafür weder bezahlt noch habe ich einen Auftrag dies zu tun, doch da ich Produkte nenne, kennzeichne ich diese hiermit als Werbung.
- Grünkohl – ein Ostfriesischer Tausendsasse - 12. Januar 2024
- Onsen Ei versus Egg Coddler – die Suche nach dem perfekten Ei - 1. November 2023
- Schweinshaxen – manchmal muss das sein - 1. November 2023
Vielen Dank für die informative Gegenüberstellung und die kulinarische Inspiration. Eure Beiträge machen das Kochen zu einem echten Abenteuer!
Köstliche Grüße,
Eva Groß
Freut mich, wenn es dich inspiriert.
Grüße
Anne