Die Frage, die sich Jens Rittmeyer stellt, ist nicht Fisch oder Fleisch oder welches Gemüse, sondern: welche Soße passt perfekt?!
„Ohne Sauce kein Vergnügen!“
Davon ist er überzeugt. Und hat nach vielen Stationen in der Sterngastronomie in seinem exklusiven Vier-Tisch-Kellergewölbe mit Blick in die Küche wohl sein kulinarisches Daheim gefunden.
Im N°4 des Navigare NSBhotels frönt er nach der Frühstücks- und vor der Abendrunde seiner Soßenleidenschaft. Die Zeit wird genutzt, um Fonds, Sude und Jus aus Gemüse, Geflügel- und Fischkarkassen oder Kalbsknochen zu zaubern. Von im persönlich. Nicht an einem Tag, sondern täglich. Denn gute Soßen brauchen Zeit. Zum Simmern, zum Ruhen, zum Setzen. Das ist eines ihrer Geheimnisse, das zwar viele kennen, aber das selten gewürdigt wird.
Nordische Reise
Vorspeisen, Zwischengänge, Hauptspeisen und Dessert des Menüs aus Gemüse, Fisch und Fleisch kommen ohne „Beilagen“. Dadurch sind die 8 Gänge der Reise, zu der Jens Rittmeyer viermal in der Woche maximal vier Gäste an vier Tischen lädt (in Zeiten von Corona eine Wohltat – aber das war schon zuvor sein Konzept) zwar geschmacklich grandios, aber doch nicht zu sättigend.

Und ganz gleich, welcher Gang serviert wird – an Soße (und einem Extralöffel) mangelt es nicht. Da könnte man auch mal über eine neue Namensgebung philosophieren. In einigen Gängen ist dies bereits umgesetzt:
Velouté vom Kaisergranat, Kürbis & Basilikum

Ein Velouté ist eine weiße Grundsoße auf der Basis einer klassischen Butter-Mehlschwitze, manchmal auch als „Samtsoße“ bezeichnet. Jens Rittmeyer hat ihr in diesem Fall die Hauptrolle zuerkannt – die Kaisergranat als schmückendes Beiwerk – das sieht frau selten 🙂
Kabeljau, zweierlei Blumenkohl, Schwarzkohlblätter & Rosmarinsauce

Schwarzkohlblätter & Rosmarinsauce
Also hier wäre „Rosmarinsauce mit Kabeljau…“ durchaus berechtigt!
Weil die Soße echt der Knaller ist. Jens Rittmeyer verbindet Geflügelkarkassen, Zwiebeln, braune Butter, Weißwein, Sahne und Wermut mit dezentem Rosmarinaroma.
Gebackene Rote Bete, Radicchio, Rinderzunge & Kirschweinsauce

Rinderzunge & Kirschweinsauce
Rote Bete und Kirschwein – auf diese Kombination ist selbst mein Geschmacksthesaurus von Niki Segnit noch nicht gekommen. Aber ich gestehe – es passt perfekt. Allerdings habe ich erstmals an diesem Abend nicht vollständig aufgegessen… eine ganze Rote Bete dieser Größenordnung ist schon viel 😉
„Sauce & Brot“
Ein eigener Gang, entstanden auf Wunsch von Stammgästen, die statt Löffeln anscheinend mal die letzten Tröpfchen mit Brot aufsaugen wollten – eine tolle Idee.
In unserem Fall: eine Brathähnchen-Meerrettich Fumet (Umami satt), in der Mitte Karottengrün Beurre Blanc (feine Butter-Pesto-Variante) und eine Zitronenpfeffersauce (ohne Worte!).
Während meine Tischnachbarin einen Mord für eine zusätzliche Kelle des Brathähnchengeschmacks ankündigt, versuche ich über versteckte Kontaktaufnahme und wahrscheinlich etwas zwielichtige Tauschangebote an zusätzliche Zitronenpfeffersauce zu gelangen. Allerdings geben wir beide schnell auf – es ist wirklich ausreichend, was da aufgetischt wird.
Das Dinkel-Sauerteig-Brot passt perfekt und ist – ganz dem Credo von Jens Rittmeyer entsprechend – regional. Bäcker Wolfgang Heyderich* aus Stade hat die perfekte Krume in absolut knusprig-dunkler Kruste gebacken.
Soße, Sauce oder Sosse?!
Sind wir mal ehrlich – eigentlich natürlich egal. Hauptsache sie schmeckt. Andererseits ist es schon wichtig, es „richtig“ zu schreiben. Der Duden plädiert entschieden für „Soße“. Aber er erreicht damit weder Köche noch Gastronomen – denn dort ist ganz unangefochten „Sauce“ die Rechtschreibvariante der Stunde. Und dreimal dürft ihr raten, wer sich gegen das „scharf s“ in Soße wehrt – genau: in der Schweiz stehen sie nun mal auf Doppel-S – daher ist es dort also wahlweise die „Sosse“ oder eben auch „Sauce“.
Rehrücken, verschiedene Wurzeln, Mangold und Rehjus

Nach dem reinen Soßengang wird die Hauptrolle hier an Gemüse und Fleisch zurückgegeben. Also eigentlich ja an die Gesamtkomposition, in der die Soße wieder eine wunderbare Rolle übernimmt. Die Wurzeln (Küttiger Karotten, Pastinake und Sellerie) spielen mit unterschiedlichen Texturen und Akzenten.
Küttiger Rüebli
„Küttiger Karotten“ lassen mich natürlich gleich aufhorchen. Die Küttiger Rüebli, wie sie eigentlich heißen, sind weiße oder eher „elfenbeinfarbene“, sehr spitze Möhren. Ein Wintergemüse, das im Dorf Aarau in der Schweiz durch die Landfrauen vorm Vergessen bewahrt wird. Sie vermehren ihr Saatgut seit Generationen selbst. Mittlerweile gibt es auch andere Anbieter von Saatgut – da sich das Rüebli gern mit anderen Möhrensorten kreuzt, ist aber wahrscheinlich nur bei den Landfrauen das Echte zu bekommen. Einmal im Jahr.
Jens Rittmeyer
Von Baden-Baden über Düsseldorf, Xanten, Bergisch Gladbach, Albufeira, Almancil (beides in Portugal), Grunewald nach Sylt. Und nun also ins Alte Land nach Buxtehude. Auf seinem Weg hat Jens Rittmeyer weite Bogen gezogen und Ideen gesammelt. Jetzt scheint er die norddeutsche Regionalität um so mehr zu schätzen und bringt sich aktiv im Netzwerk der Genusshandwerker im Alten Land ein.
Auf seiner Karte sind alle Produzenten namentlich verzeichnet. So auch Kerstin Hinze, die das Biocafe „Ottilie“* betreibt und sich freut, dass Jens Rittmeyer „selbst aus 150 g Beeren – denn mehr waren es diesmal einfach nicht – noch etwas ganz Besonderes zaubert!“.
So wie „Das süße Ende“ des Abends. Eine Birnendegustation mit teils alten Birnensorten vom Hof Ottilie. Von links: Ostener Kugelbirne, Bergamotte Faust, Triumph von Wien, Saftreiche aus Nordleda, Margarete-Marilatte und Köstliche von Scharnaux.

Weitere Geschichten aus dem Alten Land:
- Finkenwerder Herbstprinz – auch flüssig eine Wucht
- Apfelvielfalt im Alten Land
- Buxtehude im Regen – und voller Tiere
- Der unsichtbare Dritte – im Alten Land
Mit freundlicher Unterstützung von TourismusMarketing Niedersachsen GmbH*, die mich zu einer Pressereise ins Alte Land eingeladen hat.
Mein besonderer Dank geht an Renate Rebmann und Kathrin Deichmann, die die Kollegen und mich coronakonform durch Niedersachsen geleitet haben und nie den Humor verloren.
Ich bedanke mich herzlich für die charmante Gastfreundschaft, die kundige Weinbegleitung und den überaus gelungenen Abend im N°4*. (Dort könnt ihr Rittmeyer inzwischen nicht mehr finden, sondern eine Nummer weiter – im N°5.) Und ich lege allen, denen der Weg nach Buxtehude zu weit erscheint den Saucenshop* von Jens Rittmeyer ans Herz. Ich persönlich finde, dass Preis-Genuss hier wirklich passen.
Auch im Hotel Navigare NSBhotel* habe ich mich überaus wohl und willkommen gefühlt.
*Werbung
Dieser Artikel enthält Links zu Produzenten und persönliche Empfehlungen von mir. Ich bin dafür zwar weder bezahlt noch beauftragt worden, doch da ich Produkte nenne, kennzeichne ich diese als Werbung.
- Butterkuchen – Blitz oder Slow… gut sind beide - 7. Oktober 2024
- Meeresfrüchte vs. Meeresgemüse – Küstengrün kann was - 23. September 2024
- Pflaumenmus – passt zu allem - 25. August 2024
Eine Antwort auf „Die Sache mit der Soße – Jens Rittmeyer“