Gewürze – Auswählen, Kombinieren, Schmecken – Lior Lev Sercarz

Ohne Gewürze wäre unser Essen langweilig, fad und reizlos.

Ohne Pierre Poivre könnten wir uns die meisten Gewürze nicht leisten.

Ohne Lior Lev Sercarz würden wir den Zauber und die Möglichkeiten der Gewürze wohl nicht kennen lernen.

Der New Yorker Gewürzexperte Lior Lev Sercarz macht Poivre zu seinem heimlichen Helden, bewundert unverhohlen einen französischen Aufklärer, Naturforscher und Gewürzrebellen.

Pierre Poivre (origineller Weise „Peter Pfeffer“),  hat Ende des 18. Jahrhunderts durch den Diebstahl von Gewürznelken und Muskat das Monopol der Holländer, die die Preise durch künstliche Verknappung hoch hielten,  durchbrochen. Der Franzose schmuggelte Setzlinge nach Europa, baute in Mauritius Nelken an und ebnete damit den Weg zu bezahlbaren Gewürzen. Zur Erinnerung hat Lior Sercarz eine seiner Gewürzmischungen der Voyager Collection nach Poivre benannt – natürlich eine mit Pfeffer.

Gewürzmanufaktur La Boîte

Eigentlich standen zu Beginn seiner Selbständigkeit in New York 2006 gar nicht die Gewürze im Focus. Nach 15 Jahren in der Küche wollte Lior Lev Sercarz die Dinge tun, die ihm am liebsten waren: Kekse backen und mit Gewürzen arbeiten.  Daher auch der Name „La Boîte à biskuits“, (WERBUNG!) Keksdose.

Foto ©Thomas Schauer

Die Gewürze haben bei La Boîte inzwischen die Oberhand gewonnen. Über 60 individuell kreierte Mischungen sind es, die international gehandelt werden und deren Komponenten wiederum aus der ganzen Welt nach New York kommen. Die meisten Gewürze werden traditionell in kleinen Mengen angebaut, sind anfällig für Wetterkapriolen, Welthandel und Krisen. Die Suche nach  Produzenten mit bester (und dennoch bezahlbarer) Qualität findet kein Ende.

Die Keks-Kollektionen mit außergewöhnlichen Gewürzkombinationen sind auf zwei im Jahr geschrumpft – immer in Zusammenarbeit mit einem anderen Künstler, der für die Verpackung zuständig ist. Aktuell im Frühjahr/Sommer 2017 sind es:

  • Carob – chopped almonds, white chocolate
  • Halva & Poppy – tahini, Yemen N.10
  • Honey & Aleppo – local honey, walnuts
  • Chickpea & Olive Oil – halva, sumac
  • Pomegranate – black sesame, chocolate

Aufbau des Buches

Den größten Teil nehmen die ausführlichen Beschreibungen der 102 Gewürze ein. Gewürze, die nach Lior Sercarz Meinung jeder kennen und nutzen sollte. Jedes  erhält eine ansprechend gestaltete Doppelseite, die immer gleich aufgebaut ist: links Geschmack & Aroma, Herkunft, Erntesaison, Verwendete Bestandteile und Wissenswertes, illustriert mit einer botanischen Zeichnung der Pflanze. Auf der anderen Seite dann Detailfotos des Gewürzes in Variationen. Dazu fünf traditionelle Verwendungen, ein Hinweis ob man es röstet oder nicht, Würztipps (zu welchen Lebensmitteln passt es), Harmonie (hier sind andere Gewürze aufgelistet), drei Rezeptideen und die „Schnelle Mischung“ mit einem mehr oder minder nachvollziehbaren Namen.

Es geht im Buch immer um getrocknete Kräuter – frisch haben viele ein ganz anderes Aroma – das greift Lior Sercarz manchmal auf, geht aber nicht näher auf die Verwendung der frischen Variante ein.

Die Rezeptideen sind KEINE Rezepte sondern drei Vorschläge, wo man das Gewürz auch einsetzen könnte, also wie man es anders als traditionell nutzen kann. Zum Beispiel Kubebenpfeffer: traditionell in Ras El-Hanout oder Gin, sollte man auch mal in Milch aufkochen, aus der man eine Béchamelsoße macht. Das ist etwas für Menschen die Kochen können 🙂 und wirklich spannend.

Gewürzwissen a la Sercarz

Sehr gelungen: die Schnelle Mischung. Hier zeigt der Meister was möglich ist. Die Mischungen verfügen über exakte Mengenangaben, die perfekt aufeinander abgestimmt sind. Wenn man das Buch einmal grob durchschaut, findet man immer mal wieder Doppelseiten mit wunderbar in Szene gesetzten und fotografierten Gerichten, Zutaten, Kräutern und Gewürzen – dies sind  einige der Anwendungsbeispiele. Es hätten nach meinem Empfinden auch ein paar mehr sein dürfen… doch textlich gibt es immer mindestens eine Verwendungsart für die Schnelle Mischung. Leider ist auf den Fotos nicht vermerkt, zu welchem Gewürz sie gehören, die Seitenzahlen stehen bei den Gewürzen. Da muss man manchmal suchen.

Foto ©Thomas Schauer

Als Einleitung gibt der Autor ein wenig von seinem Werde- und Gedankengang preis. Spannend sind seine Gewürzphilosophie und die Geschichte der Gewürze. Sehr anschaulich und hilfreich – die Arbeit mit Gewürzen: Konservierungsmethoden, Einkauf, Verarbeitung und Aufbewahrung. Das sind nicht immer grundlegend neue Erkenntnisse, aber immer mal wieder Details des Profis die einleuchten und die ich bestimmt umsetzen und beachten werde.

Der Ausblick stellt einige Klassiker vor, die längst Einzug in den normalen Gewürzschrank gehalten haben: Baharat, Berbere, Cajun, Chai, Chinesisches Fünf-Gewürz-Pulver, Dukkah, Garam Masala, Jerk, Madras Curry, Glühweingewürz, Einmachgewürz, Quader-Épices, Ras El-Hanout, Saté, Tandorri.

Allerdings sind diese mit einem persönliche Pfiff versehen: Langer Pfeffer im Glühweinmix und statt Fenchel nimmt Lior Lev Sercarz Grünen Anis im Fünf-Gewürz-Pulver. Werde ich auf jeden Fall ausprobieren!

Pfeffer

Schwarzer, Grüner, Roter und Weisser Pfeffer – natürlich kommt dem bedeutendsten Gewürz auch ein wenig Sonderbehandlung zu (etwas mehr Platz). Der „echte Pfeffer“ stammt  von einer Pflanze, wird aber zu verschiedenen Reifegraden geerntet und unterschiedlich verarbeitet. Schwarz – grün und unreif geerntet, die schwarze Farbe kommt durch Fermentierung und das anschließende Trocknen in der Sonne. Grün – unreif geerntet, getrocknet und /oder eingelegt, Rot – nicht mit den Rosa Beeren verwechseln! Vollreif geerntet, getrocknet und/oder eingelegt. Weiß – fast reif geerntet, in Wasser eingeweicht bis die Schale sich löst, dann getrocknet.

Und natürlich haben andere Sorten auch ihre eigenen Beschreibungen erhalten: Cayennepfeffer, Langer Pfeffer, Kubebenpfeffer, Sichuan Pfeffer, Tasmanischer Pfeffer

Was mir wirklich sehr gut gefällt, ist die Freiheit, die Lior Sercarz sich nimmt und uns lässt. Es gibt nicht die eine Wahrheit, die eine richtige Mischung. Er strebt zwar nach Perfektion, aber zeigt ganz deutlich, dass diese nicht auf ein einziges Ergebnis hinaus läuft oder beschränkt ist. Alles ist möglich. Man muss sich nur trauen.

Grundvoraussetzung ist die Qualität des Ausgangsproduktes. Gewürze lügen nicht. Wenn sie nicht sorgfältig verarbeitet und gelagert werden, sind sie ihr Geld nicht wert. Das leuchtet ein.

Beeindruckend ist sein Wissen über Hintergründe und Zusammenhänge, sein Gefühl für den richtigen Ton. Nicht zu viel und nicht zu wenig – man kann das Buch als Ratgeber, Nachschlagewerk und vor allem als Inspiration nehmen – als Kochbuch eher nicht…

Deutsche Verlags-Anstalt, 2017

Gewürze

Lior Lev Sercarz
mit: Jamie Gottlieb, Fotografien: Thomas Schauer, Illustrationen: Nadine Bernard Westcoat, Design: Christine Fischer, Aus dem Englischen übersetzt von: Stefanie Kuballa-Cottone

ISBN 978-3-421-04066-4

 

Ich danke dem Verlag für die Zusendung eines kostenlosen Rezensionsexemplars.

Wer wissen will, wie ich rezensiere – hier habe ich es erklärt.

WERBUNG

Nach dem Telemediengesetz § 2 Nr. 5 TMG sind alle Links auf Verlage und Autoren inzwischen als Werbung zu kennzeichnen. Ich erhalte kein Geld für meine Rezensionen, ich beurteile die Bücher nach meinen eigenen Kriterien, auf die niemand Einfluß nimmt und verzichte inzwischen weitestgehend auf Verlinkungen.

 

 

Anne

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